Es geht um exaktes Wiegen, Messen und Filtern. Aber vor allem geht darum den allerbesten Kaffee zu brühen und zu trinken. Ein Besuch im Aniis – Raum für Kaffeekultur.
Rachid El Ofairi öffnet ein kleines Glasgefäß. Die Bohnen darin heißen Katarina washed, sind aus Kenia und wiegen exakt 18,2 Gramm. Er mahlt die Bohnen, bis sie den perfekten Mahlgrad erreicht haben, feuchtet einen Papierfilter mit heißem Wasser an, um die Poren für die Aromen zu öffnen, und füllt das Kaffeemehl hinein – immer noch exakt 18,2 Gramm.
In Kreisen gießt El Ofairi das 97 Grad heiße Wasser über die gemahlenen Kaffeebohnen. Der Kaffee tröpfelt langsam aus dem Porzellanhandfilter in eine kleine Glaskanne. Nach zwei Minuten und zehn Sekunden ist der Kaffee durchgelaufen und kann nach einer kurzen Ruhezeit serviert werden.
PRÄZISIONSLUST
Gäste, die noch nie so einen handgebrühten Kaffee getrunken haben, empfinden den Geschmack als sauer, erzählt El Ofairi. Es sei ähnlich wie auf dem Weg zu einem Weinkenner, die Sensorik entwickle sich stetig und dann schmecke man das Fruchtige, das Blumige, Schokoladige oder Erdige heraus. Der Kaffeeliebhaber leistet auch Aufklärungsarbeit. Cafés, die das schwarze Getränk mit hochwertigen Bohnen und akribischer Präzisionsarbeit brühen, gibt es nur wenige in Frankfurt. Hoppenworth & Ploch auf der Friedberger Landstraße, eine Mischung aus Café und Laden und benannt nach den beiden Gründern, waren die ersten, das Café Aniis ist das einzige im Frankfurter Osten. „Third Wave“ nennt sich die ambitionierte Art des Kaffeehandwerks, die aus den USA nach Skandinavien, Großbritannien, Deutschland und Japan schwappte. Die erste Welle war der abgepackte Kaffee aus dem Supermarkt. Espressomaschinen in Cafés, bei Starbucks & Co. und zu Hause läuteten die zweite Welle ein. Mit der dritten Welle geht um den reinen Geschmack, um beste Bohnen und um Nachhaltigkeit. Innerhalb dieser Bewegung hat sich die „Speciality Coffee Association of Europe“, kurz SCAE, formiert und das Rezept für den perfekt gebrühten Kaffee erforscht.
DRITTE WELLE
An dieses Rezept halten sich auch die Mitarbeiter im Café Aniis. Und was noch?
Üben, sehr lange üben, sagt El Ofairi. Der in Frankreich geborene Marokkaner kam mit 24 Jahren von Casablanca nach Frankfurt und arbeitete als Diplom-Ingenieur in der Solarbranche. Als ihm seine Frau einen Barista-Kurs schenkte, war seine Leidenschaft entfacht. Er besuchte Schulungen, schaute bei Coffee-Festivals den Meistern über die Schulter und ließ sich in Latte Art, dem Zeichnen auf dem Milchschaum, ausbilden. Als er das Ladengeschäft auf der Hanauer Landstraße sah, griff er zu und erfüllte sich seinen Traum vom Café. Mit einem Freund, einem Lichtarchitekten, entwarf er die Einrichtung, die genauso ehrlich und charaktervoll sein sollte wie der Kaffee, der hier serviert wird. Rohes Holz und Edelstahl dominieren, warmes Licht verbreitet Harmonie, das leuchtende Kunstwerk eines spanischen Malers bedeckt eine ganze Wand. Wer mit dem Rücken zum großen Fenster sitzt, blickt auf die große Siebträgermaschine von La Marzocco. Hier bereiten die Baristi den Espresso zu. Auch dafür gibt es eine Formel: 21 Gramm Espresso-Bohnen, 42 Gramm Flüssigkeit und eine Durchlaufzeit von 29 bis maximal 33 Sekunden. Dauert es länger, was im Sommer manchmal wegen der hohen Luftfeuchtigkeit passiert, schmeckt der Espresso sauer. Dann stellt El Ofairi die Mühlen neu ein. Und bereitet selbstverständlich ein neues Getränk für seine Gäste zu.
AM RICHTIGEN ORT
Der Flat White besteht aus 150 Milliliter Flüssigkeit und ist ein doppelter Espresso mit ein wenig lauwarmer Milch. Latte Macchiato im Glas gibt es im Aniis nicht. „Wir verwenden nur wenig Milch und nur frische, vollfette von einer bestimmten Marke und die darf höchstens 65 Grad Temperatur haben“, erklärt El Ofairi.
Haben Kaffeehausketten wie Starbucks und Coffee Fellows mit ihren unzähligen Kaffee-Variationen bald ausgedient?
Die meisten Cafés, sagt El Ofairi, verwenden Bohnen mit dunkler Röstung, das mache den Kaffee bitter, der Geschmack werde mit viel zu viel Milch und Sirup-Variationen übertüncht. Im Aniis wird mit hell gerösteten Kaffee gearbeitet, so bleiben die Aromen erhalten. Die Bohnen aus 100% Arabica bezieht das Aniis von Johannes Bayer, einem Star der Kaffeeröster-Szene, der die Rohware nachhaltig und fair importiert. Die Gäste schätzen die außergewöhnliche Qualität, es kommen viele Stammkunden. Aber auch die Bewohner des Ostends haben das Aniis entdeckt, am Wochenende sei es immer voll, erzählt El Ofairi. Der Cafébesitzer hat selbst gebackene Kuchen und Fladenbrote, orientalisch angehauchte Sandwiches, Salate und ein reichhaltiges Frühstück im Angebot. Genau wie der Kaffee ist alles handgemacht und in Bio-Qualität. Noch vor einigen Jahren wäre es unvorstellbar gewesen, ausgerechnet auf der Hanauer Landstraße ein Café zu eröffnen. Jetzt wohnen und arbeiten immer mehr Menschen im Frankfurter Osten.
Spürt der Gastronom den Wandel? Ja, natürlich. Das Viertel boomt, sagt er. Und die Menschen brauchen einen Raum, um sich zu treffen, ein Café ums Eck, in dem die Qualität stimmt. Rachid El Ofairi fühlt sich hier genau richtig.
KONTAKT
Hanauer Landstraße 82
60314 Frankfurt am Main
www.aniis.de