FÜSSE SIND UNSER BROT

Im Dr. Hoch’s Konservatorium dreht sich alles um Musik – und um die richtige Haltung. Die Akademie bereitet seit 200 Jahren junge Menschen auf Musiker- und Ballettkarrieren vor. Zu Besuch bei einer Institution.

Acht junge Mädchen, die Haare streng zum klassischen Dutt gebunden und einheitlich in einem zarten fliederfarbenen Ballettdress gekleidet, folgen den Anweisungen des Dozenten: das Bein nach oben, Hüfte nicht bewegen, Tempo halten. Am Piano gibt eine Dame den Takt vor. Die Atmosphäre ist leicht angespannt in dem hellen Trainingsraum am Dr. Hoch’s Konservatorium in der Sonnemannstraße im Ostend. Nach einer halben Stunde Übungen an der Stange und in der Mitte des Raumes sind die Mädchen durchgeschwitzt. Was leicht und elegant wirkt, ist Disziplin, Anstrengung und jahrelange harte Arbeit. Trotzdem spiele auch der Spaß eine Rolle, sagt Ballettmeister Dimitrij Simkin. Jedenfalls, fügt er korrigierend hinzu, wolle man den jungen Eleven den Spaß am Ballett nicht verderben. Anders als bei den rund 70 Studenten, die in der Abteilung der Berufsakademie einen Bachelorabschluss in Gesang, Violine, Klavier und weiteren Instrumenten machen können, bieten die Ballettklassen nur eine Art berufliche Vorausbildung an. Zeigt sich bei den Schülern, die bis zu viermal die Woche trainieren, in den langen und arbeitsintensiven Jahren ausreichend Talent, bewerben sie sich an Hochschulen, die in Tanz und Choreografie ausbilden. Seit 2005 werden die Ballettklassen am Dr. Hoch‘s Konservatorium vom Ehepaar Simkin geleitet. Beide haben beachtliche Karrieren hinter sich. Die promovierte Ballettpädagogin Olga Aleksandrova war lange Solistin in Russland, Dimitrij Simkin wurde am Bolschoi-Ballett ausgebildet. Sie tanzten zusammen auf vielen großen und internationalen Bühnen, zuletzt am Staatstheater Wiesbaden – und sie sind die Eltern von Daniil Simkin – der als Startänzer am Berliner Staatsballett zu einer der besten männlichen klassischen Tänzer weltweit zählt. Nur wenige schaffen einen solchen Aufstieg.

WIR TANZEN JA NICHT AUF DEN ARMEN

Bei der Aufnahmeprüfung in der Ballettabteilung des Konservatoriums werden zuerst die physischen Voraussetzungen geprüft. „Für den Spitzentanz muss der Fuß elastisch und gleichzeitig stark sein“, sagt Simkin. „Wir tanzen ja nicht auf den Armen, die Füße sind unser Brot. Auf ihnen liegt eine extreme Belastung. Man kann zwar vieles durch hartes Training und Einsatz erreichen, aber es ist viel einfacher, wenn der Körperbau bestimmte Voraussetzungen erfüllt.“ Wegen der Füße alleine wird hier trotzdem niemand abgelehnt. „Wir wollen generell das Interesse am Tanz fördern, auch in der Öffentlichkeit“, sagt Simkin. Ganz anders sieht es in der Musikakademie des Dr. Hoch’s Konservatorium aus. Für die Aufnahme in das Pre-College, das die jungen Musiker auf ein Studium vorbereitet sowie für das Studium selbst, das zum akademischen Abschluss Bachelor of Music führt, gelten strenge Bedingungen. Können, überdurchschnittliche künstlerische Begabung und Leistungsbereitschaft sind Voraussetzungen. Das Studium kostet nichts – so wie es der Namensgeber Dr. Josef Hoch verfügt hatte. Der Frankfurter Bürger, Musikliebhaber und Rechtsanwalt steckte sein gesamtes Vermögen – 1 Million Goldmark – in eine Stiftung und legte in seinem Testament fest, dass das Geld der Förderung in „die unentgeltliche Unterweisung unvermögender Talente in allen Zweigen der Tonkunst“ zugute kommen solle. Schon kurz nach der Gründung 1878 genoss das Konservatorium bereits Weltruf. Eine der bekanntesten Dozenten war Clara Schumann, auch der Komponist Engelbert Humperdinck lehrte an der Musikakademie. Zu den Schülern zählten Persönlichkeiten wie Otto Klemperer, Paul Hindemith, Margarete Dessoff und Theodor W. Adorno. 1928 wurde die weltweit erste akademische Jazzklasse gegründet, die unter der Leitung des ungarischen Komponisten Mátjás Seiber stand. Nach dem Krieg residierte das Konservatorium zuerst in der Eschersheimer Landstraße und im Philantropin. Heute wird im Ostend musiziert und getanzt: 2005 zog die Schule in das neue Gebäude in der Sonnemannstraße. Neben den Studierenden werden hier auch Laien, rund 800 Schüler in Musik, Tanz und Gesang unterrichtet.

RUBEN GRASS

Gute Noten: Ruben Grass studiert im Hauptfach Klavier und will Musikpädagoge werden.

FLORIAN HUCKRIDE

Singt und spielt Klavier: Florian Huckride bereitet sich im Pre-College auf sein Musikstudium vor.

YOO-CHANG NAHW

Der international renommierte Bariton Yoo-Chang Nah unterrichtet Sologesang am Dr. Hoch’s Konservatorium.

 

THEODOR W. ADORNO WAR SCHÜLER

Auch wenn sich Anwohner manchmal über die Geräuschkulisse beschweren, Dr. Caroline Prassel, die zum Direktorium gehört, ist sehr zufrieden mit dem Standort. „Wir sind hier gut angekommen. Das Viertel hat sich toll entwickelt“, sagt sie. Die Direktorin, die sich auch um die zahlreichen Veranstaltungen der Musikakademie kümmert, hat viel zu tun. In den hauseigenen Konzertsälen finden regelmäßig öffentliche Konzerte statt, die organisiert werden wollen. Der Eintritt ist frei. Ganz im Sinne des Stifters.

DR. HOCH’S KONSERVATORIUM
SONNEMANNSTRASSE 16
60314 FRANKFURT
DR-HOCHS.DE